ÜBERBLICK ÜBER DAS ORDNUNGSWIDRIGKEITENVERFAHREN

Vorverfahren

  • Die zuständige Verwaltungsbehörde (Ordnungsamt, Gewerbeamt, Straßenverkehrsbehörde) leitet die Ermittlungen. Sie beauftragt gegebenenfalls die Polizei mit ergänzenden Ermittlungen. Der Erstkontakt erfolgt entweder mit der Polizei oder durch ein Schreiben der Verwaltungsbehörde, in dem der Vorwurf bekannt gemacht wird.
  • Die Regelungen der Strafprozessordnung zur Beweiserhebung gelten auch im Bußgeldverfahren.
  • Die von der Polizei und der Verwaltungsbehörde zusammengetragenen Beweise (Zeugenaussagen, beschlagnahmte Gegenstände und Schriftstücke) werden der Verwaltungsbehörde vorgelegt. Diese entscheidet dann über den weiteren Verfahrensverlauf:
    • Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts, §§ 46 OWiG i.V.m. 170 Abs.2 StPO  
    • Einstellung des Verfahrens aus andren Gründen, §§47, 46 i.V.m. 153 ff. StPO
    • Erlass eines Bußgeldbescheids gegen den Betroffenen

Gerichtliches Verfahren

  • Legt der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch ein, legt die Verwaltungsbehörde das Verfahren der Staatsanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung vor. Nach einer Überprüfung leitet die Staatsanwaltschaft die Akte an das zuständige Amtsgericht weiter.  
  • In Bußgeldsachen entscheidet immer ein einzelner Berufsrichter am Amtsgericht.
  • Der Richter verfügt die Ladungen an den oder die Beschuldigten, deren Verteidiger sowie die Zeugen und Sachverständigen, die in der Hauptverhandlung gehört werden sollen.    
  • Der Beschuldigte kann selbst oder über seinen Verteidiger Beweisanträge stellen und damit die Vernehmung von Zeugen in der Hauptverhandlung herbeiführen.

Hauptverhandlung

  • Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Aufruf der Sache und der Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten. Der Betroffene muss nur in der Hauptverhandlung anwesend sein, wenn seine Anwesenheit für die Wahrheitsfindung unerlässlich ist. Wenn er geltend macht, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, kann er unter Umständen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden werden. Er kann sich auch von seinem Verteidiger vertreten lassen. Die Staatsanwaltschaft hat ein Anwesenheitsrecht, nimmt aber in aller Regel nicht teil.
  • Nach Feststellung der Personalien des Angeklagten wird der Bußgeldbescheid verlesen.
  • Der Verlauf der bußgeldrechtlichen Hauptverhandlungen ist insgesamt weniger formalisiert. Die Regelungen des Ordnungswidrigkeitengesetzes enthalten einige Erleichterungen für den Bußgeldrichter. So können Beweisanträge leichter abgelehnt werden.  
  • Mit der Eröffnung der Beweisaufnahme beginnen die Vernehmungen der Zeugen und Sachverständigen sowie die Inaugenscheinnahme von sichergestellten Beweismitteln (z.B. Gegenstände, Messfotos) und die Verlesung von Schriftstücken (z.B. Messprotokolle, Eichscheine, Ermittlungsvermerke, schriftliche Äußerungen des Betroffenen).
  • Jeder Zeuge wird darüber belehrt, dass er vor Gericht die Wahrheit sagen muss, nichts weglassen und nichts hinzuerfinden darf. Ansonsten würde er wegen Falschaussage mit einer Freiheitsstrafe nicht unter 3 Monaten bestraft werden. Bei der Beeidigung einer falschen Aussage wäre die Strafe sogar mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe.
  • Nach jeder einzelnen Beweiserhebung hat der Angeklagte die Möglichkeit, selbst oder über seinen Verteidiger Erklärungen abzugeben.
  • Auch während der Hauptverhandlung darf der Angeklagte Beweisanträge stellen und auf diese Weise Einfluss auf die Beweisaufnahme nehmen. Diese können allerdings leichter durch das Gericht abgelehnt werden als im strafrechtlichen Verfahren. 
  • Im Rahmen der Beweisaufnahme wird ggf. ein aktueller Auszug aus dem Fahreignungsregister oder dem Gewerberegister über den Betroffenen verlesen und ggf. erörtert.
  • Nach dem Schließen der Beweisaufnahme erhält der Betroffene und/oder sein Verteidiger Gelegenheit zu abschließenden Ausführungen, in denen er das Ergebnis der Beweisaufnahme aus seiner Sicht zusammenfasst und einen abschließenden Antrag für die Entscheidung des Gerichts stellt.
  • Als letzter vor einer Entscheidung des Gerichts erhält der Angeklagte das Wort („letztes Wort“).
  • Das Gericht kann jederzeit während der Hauptverhandlung entscheiden, das Verfahren aus Opportunitätsgründen (§ 47 OWiG) einzustellen.
  • Nach einer in der Regel kurzen Bedenkzeit verkündet das Gericht ein Urteil („Im Namen des Volkes“) und begründet es anschließend mündlich.
  • Das schriftliche Urteil wird erst Wochen später an die Beteiligten verschickt.

Rechtsmittel

  • Im Ordnungswidrigkeitenrecht steht für die Anfechtung eines Gerichtsurteils die Rechtsbeschwerde (reine Rechtskontrolle durch das Oberlandesgericht) zur Verfügung. Für dieses Verfahren bestehen teilweise Zulassungsschranken, so dass nicht jedes gerichtliche Urteil mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann.
  • Die Frist zur Einlegung eines solchen Rechtsmittels beträgt eine Woche ab Bekanntgabe des Urteils, endet in der Regel also eine Woche nach dem Schluss der Hauptverhandlung. Je nach Verfahrenskonstellation kann diese Frist aber auch erst mit Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe zu laufen beginnen.
  • In der Rechtsbeschwerdeinstanz gibt es keine mündliche Hauptverhandlung mehr. Das Verfahren wird ausschließlich schriftlich geführt und so auch entschieden.